Bilaterale Beziehungen
Historische Entwicklung
Die brasilianisch-deutschen Beziehungen sind solide und umfassend, sie beruhen auf übereinstimmenden zivilisatorischen Werten und der Wahrung der universellen Grundsätze des Völkerrechts, wie der Gleichheit der Staaten, der Nichteinmischung in innere Angelegenheiten, der friedlichen Beilegung von Streitigkeiten, dem Engagement für die internationale Zusammenarbeit, der Stärkung des Multilateralismus, der Achtung der ethnischen und kulturellen Vielfalt der Völker sowie der Menschenrechte. Die deutsche Diaspora in Brasilien, die wirtschaftlichen und handelspolitischen Interessen und die Bedeutung des jeweiligen Landes in seiner Region verleihen der kontinuierlichen bilateralen Annäherung zusätzliche Impulse.
Historisch gesehen haben sich die beiden Völker seit 1824 mit dem Beginn der deutschen Einwanderung nach Brasilien und 1826 mit der Anerkennung der 1822 erfolgten Unabhängigkeit Brasiliens durch Preußen und die Hansestädte stärker angenähert. Heute haben mehr als 10 Millionen Brasilianer deutsche Vorfahren. Der umgekehrte Migrationsstrom in jüngerer Zeit mündete in einer Gemeinschaft von etwa 120.000 Brasilianern, die heute in Deutschland leben. Es ist hierbei besonders erwähnenswert, dass deutsche Unternehmen seit über 150 Jahren in Brasilien tätig sind, was São Paulo zur größten deutschen Industriestadt außerhalb Deutschlands werden ließ. Fakten über die historische Entwicklung der Beziehungen, Besuche von Regierungsvertretern und einige der geltenden Abkommen können in der „Chronologie der bilateralen Beziehungen“ nachgelesen werden.
Die Begründung einer strategischen Partnerschaft zwischen beiden Ländern im Jahr 2002 war ein Meilenstein in den Beziehungen. Im Jahr 2013 wurde der Mechanismus der hochrangigen bilateralen Konsultationen geschaffen, eine Initiative mit besonderem und exklusivem Charakter, die Deutschland mit wenigen Staaten unterhält (neben Brasilien mit Spanien, Frankreich, Italien, Polen und, außerhalb der Europäischen Union, mit China, Indien, Israel und Russland). Bei den Konsultationen handelt es sich um regelmäßige Treffen zwischen den Regierungschefs beider Länder, die von hochrangigen Mitgliedern ihrer jeweiligen Kabinette begleitet werden. Sie dienen dazu, Partnerschaften zu bewerten und zu fördern, Kooperationsmöglichkeiten zu erschließen und den Dialog über Themen der globalen Agenda zu vertiefen.
Die erste Sitzung des Konsultationsmechanismus' fand im August 2015 in Brasilia statt. Bundeskanzlerin Angela Merkel wurde von sieben Ministern und fünf Staatssekretären begleitet. Zusätzlich zu den Treffen der Mandatsträger empfingen neunzehn brasilianische Minister deutsche Minister und Staatssekretäre zu Fachgesprächen. Die Ergebnisse dieser Treffen fanden ihren Niederschlag in der gemeinsamen Erklärung der Regierungschefs, in der gemeinsamen Erklärung zum Klimawandel und in achtzehn bereichsbezogenen Vereinbarungen und Erklärungen.
Auf parlamentarischer Ebene werden die Beziehungen zwischen Brasilien und Deutschland durch Parlamentariergruppen gestaltet. In der Abgeordnetenkammer des brasilianischen Nationalkongresses gibt es die Parlamentariergruppe Brasilien-Deutschland, deren Vorsitz derzeit der Abgeordnete Nilson Pinto (PSDB-PA) innehat. Im Deutschen Bundestag gibt es eine deutsch-brasilianische Parlamentariergruppe, die vom Bundestagsabgeordneten Thomas Silberhorn (CSU) koordiniert wird. In diesem Gremien kommen Vertreter verschiedener politischer Parteien zusammen, um einen kontinuierlichen und persönlichen Dialog mit den Parlamentariern des Partnerlandes zu führen und Informationen und Meinungen über die bilateralen Beziehungen und internationale Fragen im Allgemeinen auszutauschen.
Bereich Wirtschaft
Die Beziehungen im Bereich Wirtschaft und Handel werden durch zwei hochrangige Gremien gestaltet und begleitet. Die Gemischte Kommission für wirtschaftliche Zusammenarbeit (Comista), eines der ältesten und dauerhaftesten bilateralen Gremien der brasilianischen Diplomatie, fördert die Kontakte zwischen den Regierungen und tritt seit 1974 ununterbrochen jährlich zusammen. Die Veranstaltungen werden abwechselnd von den einzelnen Ländern ausgerichtet: 2021 wurde die 48. Comista-Tagung von Brasilien in Form einer Videokonferenz ausgerichtet. Parallel dazu werden die ebenfalls jährlich stattfindenden Deutsch-Brasilianischen Wirtschaftstage (DBWT) von Wirtschaftsvertretern geleitet und stellen ein ausgezeichnetes Forum zur Förderung von Geschäftspartnerschaften dar. Brasilien zeichnete für die Ausrichtung der 38. Ausgabe der Veranstaltung im Jahr 2021 verantwortlich, die erneut in einem virtuellen Format stattgefunden hat.
Der Handel zwischen Brasilien und Deutschland wuchs 2021 im Vergleich zum Vorjahr um 24 % und erreichte ein Gesamtvolumen von 18 Milliarden Euro. Die brasilianischen Exporte erreichten 7,57 Milliarden Euro und die Importe beliefen sich auf 10,49 Milliarden Euro, was zu einem Handelsdefizit Brasiliens von 2,92 Milliarden Euro im Jahr 2021 führte. Sowohl bei den Ausfuhren als auch bei den Einfuhren bilden Zwischenprodukte – Grundlage der industriellen Produktion – die größte Kategorie, sie machen 45,5 % der brasilianischen und 42,5 % der deutschen Exporte aus. Bei den brasilianischen Exporten haben jedoch auch landwirtschaftliche Erzeugnisse mit 27 % des Gesamtvolumens einen hohen Stellenwert. Bei den deutschen Exporten nach Brasilien folgen Investitionsgüter – Maschinen und Anlagen – mit einem Anteil von 41,9 %. Bis 2020 dominierte diese Kategorie noch die Ausfuhren.
Energie, Wissenschaft, Technologie und Verteidigung
Die bilaterale Agenda im Energiebereich wird durch das Abkommen über die Zusammenarbeit im Energiesektor mit Schwerpunkt auf erneuerbaren Energien und Energieeffizienz (in Kraft seit 2009) und die Energiepartnerschaft zwischen Brasilien und Deutschland bestimmt. In diesem Rahmen gab es während des Jahres 2020 einen Erfahrungsaustausch der betreffenden Ressorts über Energieauktionen, die Bewältigung der Auswirkungen der COVID-19-Pandemie im Stromsektor und die Nationale Wasserstoffstrategie Deutschlands. Beide Seiten haben die Absicht, die Steuerungsgruppe der Deutsch-Brasilianischen Energiepartnerschaft zu reaktivieren, die zuletzt 2017 getagt hat. Deutschland ist dabei, von kohlenstoffintensiven und nuklearen Technologien auf erneuerbare Energien, insbesondere Wind- und Solarenergie, umzusteigen. Die deutschen Erfahrungen und Technologien in Bereichen wie dezentrale Stromerzeugung, intelligente Netze und Überwachung sowie Wasserstoff, Speicherung und Energieeffizienz könnten für Brasilien interessante Diskussionspunkte sein.
Die Zusammenarbeit in Wissenschaft, Technologie und Innovation umfasst konkrete Projekte in verschiedenen Bereichen wie Industrie 4.0, Internationalisierung von Start-ups, Bioökonomie, Kraftstoffe, neue Materialien und seltene Erden. Außerdem ist ein reger akademischer Austausch zwischen deutschen und brasilianischen Universitäten zu verzeichnen, ebenso wie die Präsenz brasilianischer Forscherinnen und Forscher in unabhängigen deutschen Forschungsgesellschaften (Fraunhofer, Leibniz, Helmholtz und Max Planck). Die Einrichtung des Digitalen Dialogs im Rahmen der Comista eröffnete eine neue Aktions- und Kooperationsschiene zu einem Thema, das für beide Länder von vorrangigem Interesse ist.
Im Bereich der Landwirtschaft wurde im Januar 2020 eine Absichtserklärung zum Deutsch-Brasilianischen Agrarpolitischen Dialog unterzeichnet. Die Initiative des brasilianischen Ministeriums für Landwirtschaft und Versorgung (MAPA) und des deutschen Bundesministeriums für Ernährung und Landwirtschaft (BMEL) zielt auf den Austausch von Erfahrungen, Informationen und Perspektiven zwischen relevanten brasilianischen und deutschen Akteuren der Agrarwirtschaft. Der Dialog, an dem Regierungen, die Privatwirtschaft, wissenschaftliche Einrichtungen und Wirtschaftsverbände teilnehmen, soll ein besseres gegenseitiges Verständnis für wichtige agrarpolitische Fragen schaffen und die deutsch-brasilianischen Kooperationsnetze in den Bereichen Landwirtschaft und Viehzucht zu Themen wie Bioökonomie, nachhaltige Boden- und Wasserbewirtschaftung, nachhaltige Agrar- und Lebensmittelketten, Finanzierung des ländlichen Raums, Agrarpolitik und Konnektivität stärken.
Brasilien und Deutschland arbeiten auch im Verteidigungsbereich zusammen, und zwar im Rahmen eines halbjährlichen Konsultationsmechanismus zwischen den Generalstabschefs der Streitkräfte, bei dem neue Bereiche und Projekte für gemeinsame Maßnahmen untersucht werden. Im Bereich der Friedensmissionen findet ein Austausch bewährter Praktiken für die militärische Ausbildung zwischen der brasilianischen Gruppe für Friedenssicherungseinsätze (CCOPAB) und dem UN-Ausbildungszentrum der Bundeswehr statt. Außerdem gibt es einen bilateralen Mechanismus für die Konsultation und Zusammenarbeit in Cyberfragen, der zuletzt 2016 tagte, sowie Kontakte mit einem deutschen Nachrichtendienst zum Thema „Fake News“.
Hochrangige Besuche in jüngerer Zeit
Der damalige Außenminister Heiko Maas besuchte Brasilien im April 2019, um die Bedeutung, die Brasilien beigemessen wird, zu signalisieren und die neue Regierung zu begrüßen. Im Juli desselben Jahres besuchte der damalige Minister für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (BMZ), Gerd Müller, Brasilia, wo er mit dem damaligen Umweltminister Ricardo Salles und der Landwirtschaftsministerin Tereza Cristina zusammentraf. Im gleichen Zeitraum erhielt Deutschland Besuche von den Gouverneuren aller Bundesstaaten des Nordost-Konsortiums, dem damaligen Umweltminister Ricardo Salles, dem damaligen Gesundheitsminister Luiz Henrique Mandetta, dem Infrastrukturminister Tarcísio Gomes de Freitas und der Landwirtschaftsministerin Tereza Cristina.
Der damalige Minister Ricardo Salles war im September 2019 in Berlin, in einer Zeit, die durch die große Aufmerksamkeit der deutschen Öffentlichkeit für die Entwicklung von Umweltfragen in Brasilien gekennzeichnet war. Er traf mit Vertretern der deutschen Regierung, der Privatwirtschaft und der Presse zusammen, wobei die Treffen mit den damaligen Ressortchefs für Umwelt, Svenja Schulze (jetzt Zusammenarbeit und Entwicklung), für Auswärtiges, Heiko Maas, und für Zusammenarbeit, Gerd Müller, besonders hervorzuheben sind. In diesen Gesprächen befasste er sich mit der Entwaldung aus verschiedenen Blickwinkeln und ihren Auswirkungen auf Themen, die für die Außenpolitik beider Länder von hoher Priorität sind, wie das MERCOSUR-EU-Assoziierungsabkommen und der Amazonasfonds.
Der frühere Gesundheitsminister Mandetta nahm im Oktober 2019 am „World Health Summit“ in Berlin teil und traf sich mit dem damaligen deutschen Bundesgesundheitsminister Jens Spahn. Von besonderem Interesse waren die Schwierigkeiten Brasiliens und Deutschlands bei der Beschaffung von Impfstoffen für ihre jeweiligen öffentlichen Gesundheitssysteme sowie das deutsche Interesse an der Anwerbung von Gesundheitsfachkräften in Brasilien.
Im darauffolgenden Monat traf eine Abordnung von Gouverneuren aus Brasiliens Nordosten (der sog. Nordost-Gruppe) mit deutschen Regierungsvertretern zusammen und nahm an einer Veranstaltung teil, die in Zusammenarbeit mit der Deutschen Industrie- und Handelskammer (DIHK) organisiert wurde. Auf dem Programm standen Treffen in den Ministerien für Wirtschaft und Energie (BMWi), für wirtschaftliche Zusammenarbeit (BMZ) und für Bildung und Forschung (BMBF).
Hervorzuheben sind zwei Besuche der Landwirtschaftsministerin Tereza Cristina in Deutschland im Oktober 2019 und Januar 2020 anlässlich der ANUGA-Messe bzw. des Global Forum on Food and Agriculture (GFFA). Im Oktober 2019 absolvierte die Ministerin am Rande der Messe in Köln ein umfangreiches Programm mit wichtigen Akteuren aus Politik, Wirtschaft und Presse, insbesondere Treffen mit dem Verband der Deutschen Fleischwirtschaft (VDF) und mit der damaligen Bundesministerin für Ernährung und Landwirtschaft, Julia Klöckner (CDU). Im Januar 2020 nahm Ministerin Tereza Cristina in Berlin nicht nur am GFFA-Panel teil, sondern führte auch bilaterale Gespräche mit Repräsentanten von Argentinien, den Niederlanden, Deutschland, der WTO, der FAO, der GLS Bank und dem Europäischen Parlament. Sie betonte die Notwendigkeit eines fairen Welthandels mit gleichberechtigtem Zugang zu den Märkten. Auf dem Programm standen auch ein Seminar über nachhaltige Landwirtschaft und Viehzucht, das in Zusammenarbeit mit dem Deutschen Industrie- und Handelskammertag (DIHK) am Sitz der Botschaft organisiert wurde, sowie ein Treffen mit Vertretern der deutschen Privatwirtschaft.
Im Oktober 2021 traf eine brasilianische Parlamentarierdelegation unter der Leitung von Senatorin Kátia Abreu in Berlin ein, um politische Kontakte zu knüpfen, nachdem sie auf Einladung der brasilianischen Agentur für Handels- und Investitionsförderung (Apex-Brasil) an der Messe ANUGA in Köln teilgenommen hatte. Die Delegation traf im Bundestag mit der Abgeordneten Yasmin Fahimi (SPD), damals Vorsitzende der Deutsch-Brasilianischen Parlamentariergruppe, und dem Abgeordneten Lothar Binding (SPD) zusammen. Die Senatorin traf sich ferner mit der Staatssekretärin im Ministerium für Ernährung und Landwirtschaft, Beate Kasch, und mit dem Leiter der Unterabteilung „Internationales“ im Bundesumweltministerium, Norbert Gorissen.